Dienstag, 4. Dezember 2012

Great Expectations - Große Erwartungen (2011) [Polyband]

Great Expectations - Große Erwartungen (2011) [Polyband]

Der Bildungsroman "Great Expectations", der von Charles John Huffam Dickens, einem der renommiertesten Autoren seiner Zeit, geschrieben wurde, erzählt die Lebensgeschichte des Waisenjungen Philip Pirrip. Veröffentlicht wurde die Geschichte erstmal in den Jahren 1860/61 in dem von Dickens selbst herausgegebenen Magazin "All the Year Round".
Geplant war es hierdurch die Auflage des Heftes etwas zu erhöhen, was durch Dickens guten Ruf auch gelang, jedoch blieb die Geschichte zunächst von den Kritikern jener Zeit absolut unbeachtet (verdammte Nerds) und zählte bis ins 20. Jahrhundert zu seinen schwächsten Werken. Erst in den nachfolgenden Jahren gewann der Roman zunehmend an Bedeutung und reiht sich heute zweifelsfrei neben Werken wie A Christimas Carol oder Oliver Twist ein. Abgesehen von seiner literarischen Bedeutung wurde "Great Expectations" auch in zahllosen Dramatisierungen von Theater, Film und Fernsehen verarbeitet. Die jüngste Umsetzung, der mittlerweile 152 Jahre alten Vorlage, entstand 2011 bei der BBC in England. Das Werk wurde hier von Regisseurin Sarah Phelps als Miniserie mit drei Episoden à 60 Minuten angelegt. 

Episode 1

Der kleine Junge Philip Pirrin alias Pip (Douglas Booth) ist Vollwaise und lebt im öden, nebligen Marschland. Um seine Erziehung kümmern sich seine ältere Schwester und ihr Mann, der Dorfschmied Joe Gargery (Shaun Dooley). Die Familie lebt in bescheidenen Verhältnissen. An einem düsteren Morgen in der Marsch trifft Pip auf den geflohenen Gefangenen Magwitch (Ray Winstone). Er hilft ihm, sich von seinen Ketten zu befreien, und verschafft ihm Nahrung. Letztlich wird dieser jedoch festgenommen. Eines Tages wird Pip auf das Anwesen einer wohlhabenden Familie bestellt. Hier lernt er schließlich eine ihm unbekannte Welt kennen, als er der exzentrischen Miss Havisham (Gillian Anderson) und ihrer Pflegetochter Estella(Vanessa Kirby) vorgestellt wird. Nachdem Miss Havisham am Hochzeitstag von ihrem Bräutigam verlassen wurde, hat sie der Männerwelt Rache geschworen und Estella zu einem lieblosen Wesen erzogen, das an ihrer Stelle Vergeltung am männlichen Geschlecht üben soll. Pip verliebt sich nichtsahnend in Estella, doch für Miss Havisham ist der Junge noch nicht so weit und wird sieben Jahre in die Lehre zu seinem Vater geschickt.

Episode 2

Pip lebt nun in London und ist vor allem mit Geldausgeben beschäftigt – ein unbekannter Wohltäter hat ihm eine vornehme Erziehung bezahlt und ein großes Vermögen in Aussicht gestellt. Dieses Vermögen wird bis zu seinem 21. Lebensjahr und der damit verbundenen Volljährigkeit von seinem Anwalt Mr. Jaggers (David Suchet) verwaltet. In der neuen Umgebung bricht er mit den schlichten Verwandten und führt das Leben eines Snobs. Immer damit beschäftigt den Schein eines wahren Gentlemen aufzubauen trifft Pip in der feinen Gesellschaft erneut auf Estella, die ebenfalls in jenen Kreisen verkehrt. Die Liebe der beiden zueinander ist dabei unbenommen, jedoch versucht Miss Havisham, die zunehmend dem eigenen Wahnsinn verfällt, weiterhin die Geschicke nach ihrem Willen zu lenken. In der Nacht seines 21. Geburtstages erscheint in Pips Londoner Wohnung, der wahre Wohltäter, welcher ihm das Leben als Gentleman ermöglicht hatte.

Episode 3

Pips Gönner – eben jener Gefangene, dem er einst geholfen hatte – ist illegal aus der Deportation nach Australien zurückgekehrt. Nicht nur das Geheimnis um den unbekannten Wohltäter Magwitch, der von dem Gentleman Compeyson zum Verbrechen angestiftet wurde, wird nun gelüftet, sondern auch mehrere zuvor angedeutete Verbrechen werden aufgeklärt sowie komplizierte Beziehungen zwischen einigen Haupt- und Nebenfiguren beleuchtet. So erfährt Pip, dass Estella, die mittlerweile einen brutalen Nichtsnutz geheiratet hat, Magwitchs Tochter ist. Pip versucht Magwitch zusammen mit seinem Freund Herbert, bei der Flucht ins Ausland zu helfen, was aber misslingt. Magwitch, der zum Tode verurteilt wird, stirbt in Pips Gegenwart an den Folgen seines gemeinsamen Fluchtversuchs. Sein Vermögen wird eingezogen, und damit enden die großen Erwartungen Pips. Mit keinem Cent mehr in den Tasche kehrt er letztlich zu Joe Gargerys Schmiede.Estella, deren Ehemann von einem Pferd totgetrampelt wurde, ist ebenfalls zurück in ihren alten Heimat, und so finden die beiden schließlich noch zusammen

Dramatisierung

Um den knapp fünfhundertseitigen Roman, für eine dreiteilige Serie der BBC aufzubereiten, waren einige Veränderungen nötig, die allerdings nicht den Geist der Geschichte berühren. Die zeitlichen Abstände, die in Dickens Erzählung deutlich ausufernder sind, wurden für die Verfilmung stark gestrafft, so ist der Tag an dem Pip seinen Wohltäter trifft eigentlich zu einem viel späteren Zeitpunkt im stattfinden würde etc. Solcherlei Änderungen sind aber nichts Ungewöhnliches und wären mir persönlich ohne intensive Aufbereitung der Materie nicht wirklich aufgefallen. Stärkste und zugleich schwierigste Entscheidung der BBC Version ist es allerdings gewesen, die im Roman stark prägnante Ich-Erzählung aus Pips Perspektive vollkommen in Richtung der omnipräsenten Erzählweise zu verschieben. Hierdurch gelingt es der Reihe jedoch sehr gut eine düstere und melancholische Grundstimmung zu erzeugen, die dem Geiste des Buchs gerecht wird. Bemerkenswert fand ich ebenfalls, dass die Skurrilität vieler Figuren stark einem trockenen, aber nicht unpassenden, Realismus zum Opfer gefallen ist. Was manchen Romanfreunden hier vielleicht fehlen wird ist ein Hauch des Augenzwinkerns und des Humors den die Verfilmung nur selten aufgreift. Das jedoch macht in dem hier geschaffenen Universum auch vollkommen Sinn, da es sich mehr auf die Dramatik des Momentes konzentriert.

Bei der Verfilmung einer ohnehin britischen Romanvorlage hat die BBC klar den Heimvorteil. Denn alles, was man an überzeugenden Kulissen und Landschaftseinstellungen benötigt, liegt schließlich vor der Tür. Die Bilder des Films wirken besonders in der Blu-ray Fassung wirklich sehr gut und nutzen das gesamte visuelle Spektrum. Hierdurch überzeugt der Film mit den vielen Details in Bild, Farbe und den Szenerien durchweg. Alles wirkt sehr lebensnah und authentisch. Besonders der Verfall des Anwesens der Miss Havisham, zeigt wie viel Mühe sich hier scheinbar gegen wurde. So wirkt das ganze Gebäude bei jedem Besuch etwas heruntergekommener. Auch die Kostüme und das Make-up fügen sich passend ins Gesamtkonzept ein, sind allerdings nicht immer passend zur entsprechenden Epoche, dies kann jedoch auch der fiktiven Vorlage geschuldet sein.

Der Cast weiß ebenso mit vielen talentierten Namen der britischen und amerikanischen Filmlandschaft zu überzeugen, da ist eine wirkliche gute Gillian Anderson, die eben jene Verrücktheit der Miss Havisham, in den Vordergrund spielt sich aber nicht im übersteigerten Wahnsinn verliert. Oder David Suchet, der gern in britischen Serien gesehen wird und ideal die Rolle des strengen, ehrenvollen Anwalts verkörpert. Die Kinderschauspieler in der ersten Episode sehen neben den deutlich talentierten "alten Hasen" zwar etwas blass aus gehen aber noch in Ordnung.

Fazit

Die neuste Verfilmung von Dickens "Spätzünder"-Roman um Liebe und Verletzlichkeit wurde von der BBC wirklich überzeugend umgesetzt. Es ist emotional, wie visuell gelungen den Geist des Buches und seiner Charaktere einzufangen und trotzdem noch eine eigene Note mit auf den Weg zu geben. Die insgesamt 180 Minuten sind ein gut erzähltes und packendes Drama geworden, welches durchweg gute Unterhaltung bietet.
Die Blu-ray Fassung kommt in einem sehr schön gestalten Pappschuber mit Fotoeinband daher. Als nette Extras gibt es neben sechs Postkarten mit Fotografien der Hauptcharaktere, noch ein Booklet mit einigen interessanten Informationen zur Adaption und der großen Vorlage. Digitale Extras, so wie Making-ofs oder Audiokommentare sucht man leider vergebens.


8.0 von 10 erfüllten Erwartungen