Freitag, 9. August 2013

Wenn der Wind weht (1986)

Wenn der Wind weht (1986)

Das alte Ehepaar Jim und Hilda Bloggs lebt in der englischen Provinz. Sie leben ein einfaches Leben, sie sind einfache Leute. Doch auch sie bekommen mit, dass der Kalte Krieg bald zu einem nuklearen Gefecht zwischen den Großmächten werden könnte. Nach der Anleitung aus einer Broschüre der Regierung baut Jim einen Unterschlupf aus Türen und Kissen, um bei einem Atombombenangriff ein sicheres Plätzchen zu haben. Früher war Krieg noch anders, das weiß Jim aus eigener Erfahrung. Aber die Wissenschaft hat vieles verändert. Man weiß auch heutzutage gar nicht mehr so recht, wer denn jetzt überhaupt Krieg führt.
Beim Essen hören die beiden schließlich die unheilvolle Nachricht im Radio. Ein Bombenabschuss wurde festgestellt, die Bombe wird in drei Minuten fallen. Da sollte aber ja noch genug Zeit sein, die Wäsche abzuhängen...

Irgendwie bin ich froh, dass ich als kleiner Bengel diesen Film inhaltlich zwar schon verstanden - Krieg ist doof! - aber nie emotional an mich herangelassen habe. Heute als doofer Erwachsener liegt mir der Film unheimlich schwer im Magen. Gestern geschaut, heute immer noch kurz vorm Heulen.

Und dabei fängt alles so drollig an. Obwohl die Bedrohung allgegenwärtig ist, macht es Spaß, dem Ehepaar zuzuschauen. Sie necken sich, zanken, nörgeln und erinnern. Dass sie immer nur ihr eigenes kleines Leben wollten und sich gar nicht so richtig mit der Welt beschäftigt haben, die sie umgibt, wird spätestens klar, als sie ihre Erfahrungen und ihr Wissen über den Zweiten Weltkrieg hervorkramen. Da wird Stalin zum netten bärtigen Onkel, der gegen die Deutschen geholfen hat, und Jim verwechselt immer wieder Sowjetunion und Deutsches Reich. Dennoch meinen sie, dass es damals einfacher zu verstehen war, worum es ging, warum es Krieg gab und wer der Feind war. Der Kalte Krieg bleibt für sie unverständlich, aber die Leute werden schon wissen, was sie tun. Es wird schon wieder alles in Ordnung kommen. So war es das letzte Mal auch. Morgen sollte man übrigens mal zum Fleischer gehen...

Diese Haltung bewahren sie auch, nachdem die Schockwelle über ihr Haus gefegt ist. Die erste Reaktion Hildas ist, als sie die Verwüstung im Haus sieht, der Wunsch aufräumen zu müssen. Bis die Rettungskräfte kommen, muss es ja wieder ordentlich aussehen - das kann man so doch niemandem präsentieren. Jim hingegen ist sich durch die Lektüre der Broschüre hingegen ansatzweise bewusst, dass die Situation gefährlicher sein könnte, als es scheint. Er spricht vom radioaktiven Niederschlag und warnt Hilda davor. Wirklich erfasst, was der Niederschlag überhaupt ist, hat er nicht. Sie versuchen sich zu arrangieren und warten darauf, dass alles wieder seinen normalen Gang geht.
Auch in dieser Situation kommen immer wieder sehr liebevolle und auch witzige Szenen zwischen den beiden zustande, aber dem Zuschauer dämmert es schon sehr früh, dass der Film ein bitteres Ende nehmen wird. Man muss mitansehen, wie zwei Menschen elendig verrecken, weil andere sie dazu verdammt haben.

Die erwähnte Broschüre basiert zu Teilen auf damals herausgegebenen und ist im Prinzip hier die einzige Kommunikation, die zwischen der Regierung und den Bürgern erfolgt. Vor allem ist sie aber ein Instrument, das von den Machthabenden herausgegebenen wurde, um das Volk in Sicherheit zu wiegen, das eigene Tun zu rechtfertigen und Zweifel zu unterbinden. Die Bedrohung von außen erfordert das eigene Handeln, erfordert, "die Bösen" im Notfall auszuradieren.
Dass die Vorkehrungen, die in dem Blatt empfohlen werden, einfach nur beruhigende Worte sind, die den Leuten vormachen, dass trotz der Art des möglichen Krieges Hoffnung für eine Zukunft besteht, ist in diesem Zusammenhang einfach nur furchtbar.

Optisch ist der Film in meinen Augen eher unauffällig. Die Farbstimmung wird natürlich im Laufe immer düsterer und es werden immer mal wieder Realfilmaufnahmen eingefügt. Interessant sind jedoch die Szenen, in denen Zeichnung und Miniaturen bzw. im Falle der Jutesäcke sogar Stop Motion miteinander kombiniert werden.

Im Soundtrack wurschtelten bekannte Namen wie David Bowie und Roger Waters herum. Herausragend ist das allerdings nicht, trifft aber die Stimmung des Films ganz ordentlich. Netter Fakt zur deutschen Synchronisation ist, dass Jim von Peter Schiff gesprochen wird, der u.a. auch HAL 9000 sprach.

Wenn der Wind weht ist ein trefflicher Film - aber auch grausam und nicht gewillt, so schnell aus dem Gedächtnis zu verschwinden.

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