Freitag, 7. März 2014

Fando und Lis (1968) [Bildstörung]



Fando und Lis (1968) [Bildstörung]

Obwohl die Welt in Trümmern liegt und die Gesellschaft schon lange an sicter durch die Ruinen von dem was einst war. Wer allerdings nicht zu diesem ausgewählten Kreise gehört steckt mitten in der hoffnungslosen Realität. Unter den verachteten, armseligen Überlebenden ist auch das junge Liebespaar Fando (Sergio Kleiner) und Lis (Diana Mariscal). Er leidet unter anderem unter den schmerzhaften Kindheitserinnerrungen, die er vor allem seiner mediengeilen Mutter zu verdanken hat, während Lis als kleines Mädchen von drei Männern vergewaltigt wurde und seitdem querschnittsgelähmt ist. Da beide nichts mehr von der Gesellschaft und dem Leben mit und in ihr erwarten können fliehen sie vor ihr. Ihr Ziel ist die sagenhafte Traumstadt Tar, doch der Weg dorthin ist steinig, staubig, voller Gefahren und vermutlich eine Sackgasse.


11 Jahre waren seit seinem Kurzfilmdebüt vergangen. Mittlerweile war Jodorowsky aus Frankreich zurückgekehrt nach Süd Amerika und inszenierte anarchistische Schock Theaterstücke in Mexiko. Provokation und die Beleidigung und teilweise sogar die totale Verwirrung und Verängstigung des Publikums standen oft im Mittelpunkt und verkamen mitunter zum Selbstzweck. Auch seine ersten Comicarbeiten, sowie erste musikalische Versuche wurden Teil von Alejandros künstlerischem Schaffen. Mit dem Geld, das ihm ein befreundeter jüdischer Juwelier aus Mexiko gab, dessen verstorbenen Sohn ist “Fando y Lis” gewidmet, begann der chilenische Künstler die Arbeiten an seinem ersten Langfilm. Mit einigen Freunden, Bekannten und ein paar Filmneulingen drehte er viele darauffolgende Wochenenden lang diesen Film im Gelände einer lange verlassenen Mine, die nicht zu weit von der nächsten Stadt entfernt war. Dabei herausgekommen ist ein wuchtiger Schwarzweißfilm, der den Zuschauern einiges abverlangt.

Von Beginn an ist die Atmosphäre surreal und meist genauso feindlich. Die erste Einstellung fes Films erinnert noch stark an Vera Chytilovás, zwei Jahre zuvor in Tschechien entstandenen Experimentalfilm “Sedmikrásky”. Aber auch wenn die beiden Werke sich in vielen Punkten gleichen mögen ist ihre herangehensweise doch oftmals grundverschieden. Jodorowsky ist sehr viel weniger zynisch und auch nur an wenigen Stellen derartig verspielt. Durchgängig spielt er mit Symbolik und Metaphern, aber nicht allzu sehr mit dem Medium an sich. Für die gewöhnliche, oftmals oberflächliche und dumpfe Gesellschaft hat aber auch er nur Verachtung übrig. So laufen Fando und Lis nicht nur vor sich selbst, ihren Problemen und dem jeweils Anderen sondern gerade auch vor dem Einheitsbrei des Systems weg, in das sie nicht passen wollen.

Metaphorisch versucht die Allgemeinheit immer wieder die beiden für sich zu gewinnen, sie mit Macht oder Geld zu korrumpieren und zu einem Teil von sich zu machen. Gleichzeitig macht man sich über sie lustig, nimmt sie nicht ernst und verhöhnt ihre Gefühle. Relativ unverblümt reagiert Jodorowsky darauf recht launisch und attackiert den Normalzustand und den organisierten Glauben ohne wirklich zu verstecken wie er denkt. Gräber werden Geschändet, man macht sich über Jesus Kreuzgang lustig und die Fleisch einer gerade verstorbenen Frau werden zu Hostien für die geifernde Menge.

Aber nicht immer ist so offensichtlich was der Künstler uns sagen will und auch nicht immer ist ihm dies selbst so ganz bewusst. Häme für die Gesellschaft, Kritik areligiösen Eifer, die Infragestellung sexuellen normen und der Umgang mit schrecklichen psychischen Problemen sieht man sehr deutlich, doch trotzdem bleibt so manches Symbol zuerst unverstanden. Bisweilen kann der Film daher etwas sehr verkopft rüberkommen und insgesamt handelt es sich bei der Handlung nur um eine Aneinanderreihung symbolischer Vignetten. Wenn man also keinen Spaß daran hat danach zu suchen, was uns der Künstler sagen will und nicht bereit ist sich gründlich Gedanken über das Gesehene zu machen bleibt nur eine schockierende Ansammlung Psychosexueller Bilder, grotesker Gewalt, dunkler Metaphern und ein Wust unangenehmer Gefühle. Sieht man sich den Film dann doch genauer an findet man in dem Ganzen doch noch so etwas wie Erlösung und sogar schöne Momente. Ein schweres Erlebnis bleibt die Sichtung dieses mutigen Kunstwerk des brutalen Surrealismus trotzdem. Es hat wohl schon seine Gründe warum das Premieren Publikum auf dem Filmfest in Acapulcu den Filmemacher lynchen wollte.

Die Reise des unglücklichen Paars Fando und Lis ist dominiert von Gewalt und Unterdrückung und auch für die Zuschauer ein teilweise schwer verdauliches Abenteuer mit vielen morbiden Momenten. Wer sich darauf einlässt wird vermutlich gut unterhalten, alle anderen werden mit Jodorowsky wohl aber auch nicht zu viele Berührungspunkte haben.

“Fando und Lis” ist als Teil der Jodorowsky Filmbox nun auch bei uns erhältlich. Sie wurde digital aufbereitet und sieht auch wirklich sehr sauber aus. Der Ton klingt sauber ist allerdings nur auf spanisch vorrätig, deutsche Untertitel sind allerdings dabei. Genauso wie auch für Jodorowskys, aufschlussreichen Audiokommentar. In den insgesamt drei Digipacks, die wiederum in einem Schuber kommt - natürlich mit abnehmbaren FSK Umschlag - befinden sich noch 2 umfangreiche Booklets, eines mit einem Interview, sowie dem Indizierungsbeschluß zu “El Topo” von damals und ein anderes über Jodorowsky Schaffen. Auf den DVD’s befinden sich außerdem noch die Filme “Die Krawatte”, “El Topo”, “Der heilige Berg”, die Dokumentation ”Die Konstellation Jodorowsky”, sowie Audiokommentare und viele andere Extras. Und dann sind da noch 2 Audio CD's mit den Soundtracks zu “El Topo” und “Der heilige Berg”. Fans des Ausnahmeregisseurs greifen also sehr entschlossen zu dieser tollen Box.

8 von 10 Symbole der Gesellschaft, die unzerstörbar sind