Freitag, 11. April 2014

The Act of Killing (2012) [Koch Media]

The Act of Killing (2012) [Koch Media]

Indonesien 1965. Ein von Teilen des Militärs gestarteter Putschversuch wird niedergeschlagen.
Die Schuld für diesen Putsch wird der kommunistischen Partei in die Schuhe geschoben, sowie der chinesischen Minderheit. Militärs, Paramilitärs und Gangster bilden Todesschwadrone, um die Sündenböcke ausfindig zu machen, zu foltern und zu ermorden.
40 Jahre später. Die Bluttaten der Jahre 1965 und 1966 sind nicht vergessen. Aber niemand wird dieser Verbrechen angeklagt. Vielmehr werden die Täter von damals immer noch als Helden verehrt und  genießen hohes Ansehen und teilweise gute Posten in der heutigen Regierung.
Joshua Oppenheimer begleitet einige damals beteiligte Anhänger der paramilitärischen Pancasila Jugend und bittet sie ihre Erinnerungen an diese Zeit filmisch aufzuarbeiten, um sich somit mit ihren Taten auseinanderzusetzen.

Wie begegnet man einem Film wie „The Act of Killing“? Ein Film, der ein Massaker so greifbar macht. Der die Täter zeigt, die immer noch davon überzeugt sind, das Richtige getan zu haben. Und sich nicht scheut, diese Personen eben auch als Menschen zu zeigen.

Aber genau das ist der Schlüssel zu diesem Werk.  Momente in denen die damaligen Täter liebenswert erscheinen und in ihrer Menschlichkeit gezeigt werden, schlagen im Gespräch in grausame Schilderungen und Nachstellungen ihrer Taten um.
Hier handelt es sich nicht um entmenschlichte Mordmaschinen. Es sind Väter, Großväter, Ehemänner und allgemein die Leute von Nebenan, die manchmal abends gemütlich auf der Straße bei einem Getränk zusammensitzen und ein paar Lieder singen oder mit denen man eine Runde zum Bowling gehen kann.
Keiner ist sich über seine Taten im Unklaren. Sie geschahen ihrer Meinung nach aber für die in ihren Augen „richtige“ Sache.

Das wirft somit wieder ein anderes Licht auf die Sache.
Hier sind es nicht eine Handvoll Mächtiger, die der unwissenden Masse ihre Taten verschleiern oder sie verführen. Hier war fast jedem klar, was sie da tun. Das Ungeheuerliche daran ist, dass sie davon überzeugt waren und es noch sind.
Joshua Oppenheimer stellt im Audiokommentar und in Interviews mit ihm, dazu den Vergleich her, es wäre fast so, als käme man 40 Jahre nach Kriegsende nach Deutschland und stellte fest, dass die Nazis den Krieg gewonnen hätten und als Helden gefeiert würden.
Erst stockt man reflexartig ob dieses Vergleichs, da man die Unterstellung wagen könnte, Oppenheimer würde die Einzigartigkeit der Shoa in Frage stellen. Tut er natürlich nicht und wenn man ein wenig darüber sinniert, merkt man auch, dass sich darin ein wahrer Kern verbirgt.
Geschichte wird immer von Siegern geschrieben und wenn man sich ansieht oder anhört, wie viele Menschen in Deutschland nichts gewusst haben wollen und selbst niemals etwas dazu beigetragen haben wollen, sowie die Schuld alleinig auf eine wenige Obrigkeiten abzuwälzen versuchen, dann muss man sich unweigerlich die Frage stellen, wie wohl viele dieser Leute reden würden, hätte Deutschland den Krieg gewonnen.
Natürlich spielt der Film nicht in Deutschland und hat auch nichts mit den Nazis zu tun. Aber gerade als deutschstämmiger Zuschauer, sollte man diesen Gedankengang nicht komplett vernachlässigen, denn egal wie man es dreht und wendet, ohne die Hilfe und das Wissen der Bevölkerung, kann kein Völkermord geschehen.

Aber zurück nach Indonesien. Hier haben der Massenmord und die Unterdrückung gesiegt. Und ihre Nachwirkungen sind noch immer deutlich spürbar.
In vielen Szenen macht Oppenheimer dies deutlich. Mal sehr offensichtlich, wenn er einer Gruppe Pancasila durch die Straßen folgt, während sie bei chinesischen Einwanderern Schutzgelder erpressen, mal in beinahe zufälligen Geschichten, wie die eines der Schauspieler, der im geplanten Film mitwirken soll. Wenn dieser dann nervös und viel zu aufgedreht erzählt, wie er eines Morgens seinen chinesischen Stiefvater tot in einem Ölfass gefunden hat und sich dabei aller größte Mühe gibt zu verbergen, dass er selbst wahnsinnige Angst vor den Pancasila hat, dann muss man als Zuschauer schon stark schlucken.

Zu seiner Hauptfigur hat Oppenheimer den ehemaligen Paramilitär Anwar Congo erkoren. Warum er gerade ihn ausgesucht hat wird schnell deutlich.
Anwar ist als schon ein recht faszinierender Charakter, der zunächst durch genaue Darstellung der Morde auffällt, später mit recht surrealen Ideen den Dreh bereichert, in dem er sich und seine Mitstreiter und den Cast um Cowboys, Gangster und Dämonen erweitert.
Er durchlebt im Film aber auch zusehend eine Wandlung, gegen die er sich aber immer wieder versucht zu wehren, indem er sich Gründe für seine Alpträume sucht, die nur entfernt oder sehr oberflächlich im Zusammenhang mit den wahren Gründen stehen dürften.
Ich könnte noch einiges zu den Geschehnissen in diesem Film schreiben, allerdings wäre ich nie in der Lage das Gesehene und Erlebte verständlich zu machen. Ein Film, der mich mit seinen 2,5 Stunden in seinen Bann gezogen hat und gerade auch in seinen ruhigen Momenten eine ungeahnte Kraft entfesselt. Inhaltlich, wie auch Visuell. Schwierig dieses in einem Text niederzuschreiben, ohne den Eindruck zu verwässern.

Ein paar Worte noch zur Blu-ray von Koch Media.
Die besticht durch ein sehr tolles Bild und gutem Sound.
Auch an Extras mangelt es nicht und so gibt es neben dem obligatorischen Trailer, sowohl eine Einführung von Produzent Werner Herzog, sowie ein etwas über 20 minütiges Interview mit Joshua Oppenheimer. Highlight dürfte aber zweifelsohne der großartige Audiokommentar von Oppenheimer und Herzog sein, den ich nur jedem empfehlen kann, da er das Gesehene noch um einige Facetten erweitert, so dass die nochmaligen 2,5 Stunden nicht langweilig wurden.
Allerdings hat sich ein Fehler eingeschlichen. So heißt es im Menü, der Audiokommentar würde von den beiden Produzenten Herzog und Errol Morris stammen. Morris taucht aber auch den gesamten Audiokommentar über nicht darin auf, aber mit Joshua Oppenheimer als Regisseur des Films ist das natürlich zu verschmerzen, da so ein natürlich ein viel besserer Einblick in die Dreharbeiten möglich ist.

Abschließend kann ich nur noch jeden dazu anregen sich diesen Film unbedingt anzusehen. Eindrucksvoll und bedrückend, wie allzu menschlich das Gesicht hinter einem Genozid sein kann.
Ich werde hierfür auch keine Punktzahl vergeben, da ich der Ansicht bin, dass das, was in diesem Film gezeigt wird, sich jeglichem Wertungssystem entzieht.