Dienstag, 18. Oktober 2011

Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (Knesebeck)

Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (Knesebeck)

Tristram Shandy möchte dem geneigten Leser seine Lebensgeschichte erzählen. Zuerst schafft er das auch ganz gut. Er beginnt bei seiner Zeugung, lässt sich hier und da ablenken und kommt schließlich zur Schwangerschaft seiner Mutter. Dort beginnt der endgültige Verfall der Geschichte und schon bald geht es um den Stammbaum des Steckenpferds seines Onkels, der einmal schwer an seiner Schamleiste verletzt wurde und lange Zeit das Bett hüten musste und auch um die Schwierigkeiten die es bereitet ein ungeborenes Kind zu taufen. Abgerundet wird das Ganze durch eine äußerst umfangreiche Abhandlung über die Nasenforschung, bis Martin Rowson, der das Klassische Werk als Graphic Novel umsetzt endgültig verzweifelt, beginnt Kapitel auszulassen und selbst abzuschweifen. Das geht dann solange bis nichts mehr übrig ist und die Geschichte einfach aufhört.

Martin Rowson versuchte das Unmögliche. Der Zeichner der politischen Comics aus den englischen Tageszeitungen wollte in seinem unverkennbaren Stil das Leben der fiktiven Figur Tristram Shandy in Comicform umsetzen. Gelungen ist es ihm nicht, aber er ist mit Würde gescheitert. Laurence Sterne schrieb ab 1759 das Leben seiner erfundenen Figur in 9 Bänden und über 1600 Seiten auf und kam dabei nur knapp über die Geburt des Protagonisten hinaus. Soweit kommt Rowson gar nicht. Zusammen mit seinem Hund versucht er zwischen den Kapiteln immer wieder einzuschreiten und die Geschichte in klare Bahnen verlaufen zu lassen. Aber spätestens wenn Sägen seine Sprechblasen zerstören muss er feststellen das es einfach nichts mehr wird.

Das Ganze verläuft dabei ständig auf einem schmalen Grad zwischen unheimlich lustig und unsagbar öde. Es ist ein Geduldspiel, eine Geschichte die alle bekannten Erzählstrukturen aufbricht umdreht und neu zusammen setzt. Die Graphic Novel macht das sogar noch verrückter als der Roman, hält dafür aber auch nicht annähernd solange durch. Besonders lustig wird es dadurch das man die Übersetzung von Michael Walter benutzt hat, die alle sexuellen Anspielungen und dreckigen Zoten toll herausarbeitet und die Geschichte so präsentiert wie es sein soll.

Man ist beim Lesen wirklich fasziniert wie sehr man in die verschiedensten Details eintauchen kann und wie sehr sich die Erzählstruktur schon nach kurzer Zeit zerfasert hat und man sich schon in den kleinsten Nebensächlichkeiten verloren hat.

Dabei ist dazu auch noch sehr verwunderlich das Martin Rowson es auf fast jeder Seite wieder schafft die klassischen Panel Aufteilung aufzubrechen und somit das Gleiche mit der klassischen Comicerzählstruktur zu machen was Laurence Sterne mit der der Romane gemacht hat.

Wer also einen wichtigen Roman der Geschichte in einer neuen Form lesen möchte, oder sehen möchte was man mit Comics alles anstellen kann sollte sich unbedingt diese Graphic Novel genauer anschauen.

9,2 von 10 Walrösser namens Edgar