Dienstag, 20. August 2013

Filme der 2000er (TASCHEN)

Filme der 2000er (TASCHEN)

Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends war das erste, das ich wirklich bewusst miterlebt habe. Gleichzeitig ist es filmisch sicherlich mein am wenigsten geliebtes Filmjahrzehnt. Meiner Meinung nach hat kein anderes Jahrzehnt dem Medium so schwer zugesetzt wie die 2000er. Der Anfang war ja auch denkbar schlecht. Nach dem 11. September wurden die großen amerikanischen Produktionen entweder zunehmend sinnfreier und inhaltsloser oder man frönte ungeniert einem schrecklich unreflektierten Patriotismus. Nachdem man seit Jahren, durch den Wegfall der Sowjetunion, keine Erzfeinde mehr hatte, müssen nun Araber herhalten und kein Film kommt mehr ohne wehende USA Flaggen aus. Außerdem bewies die Filmindustrie in dieser Zeit das Ende jeglicher Kreativität. Prequels, Sequels, Midquels, Sidequels, Remakes, Comicadaptionen und Videospielverfilmungen zeigen das Niemand in Hollywood noch wirklich Interesse daran hat was interessantes zu versuchen. Hinzu kam am Ende noch der Streik der Writergewerkschaft, der scheinbar auch heute noch für einen Mangel an annehmbaren Drehbüchern sorgt.

Aber auch technisch haben sich filme gerade in diesem Jahrzehnt weiter von dem entfernt was ich mag. Filme sehen nicht mehr schön aus, nicht mehr kreativ und auch nicht atmosphärisch. Kurzweilige Action mit weniger Inhalt als jemals zuvor dominiert die Filmlandschaft und die Kameramännern wackeln ständig oder es gibt alle paar Frames einen Schnitt und seit Transformers kann man nicht mal mehr erkennen wer eigentlich gegen wen kämpft. Gleichzeitig scheinen Independent stetig prätentiöser zu werden und halten sich für sehr viel tiefsinniger und intelligenter als sie letztlich sind. Hinzu kommt noch 3D als neues Gimmick, das 20 Jahre nach seinem letzten Boom wieder aufgewärmt wird und dem Erzählen einer Geschichte meist im Weg steht und dank des HD Booms ging auch die Zeit des Films, also des echten Films zu Ende. Digital ist der neue Weg Filme zu drehen und ins Kino zu bringen, wodurch ein weiterer charismatischer und ästhetischer Teil der Industrie der Ausstirbt. Und niemals wird ein digital gefilmter Film so gut aussehen wie einer auf Zelluloid. Ach und CGI ist auch nicht zu vergessen, scheint immer schlimmer und unechter auszusehen und wir sind in einer Zeit angekommen, in der Filmemacher Nippel, linksabbiegende Autos und sogar Steine Computer animiert werden.

Natürlich beschränkt sich meine Beobachtung nur auf den unangenehmen Mainstream. Wenn man sucht findet man heute noch viele sehr gute und mutige neue Produktionen. Gerade im No Budget Bereich ist noch Kreativität zu entdecken. Wenn man also sucht findet man auch heute noch sehr gute Filme, es ist aber viel schwerer geworden, was auch dieser Filmband von Jürgen Müller und einer Riege anderer Kritiker, vermutlich eher unfreiwillig, beweist. In “Filme der 2000er” werden insgesamt 140 Filme von 2001-2010 vorgestellt. Auf 4-10 Seiten bekommt ihr zu den ausgewählten Filmen eine Zusammenfassung des Inhalts, eine Rezension, Hintergrundinformationen, eine Glossar Box, Credits, eine Auflistung der gewonnen Preise, Pressezitate, das Kinoposter und natürlich einige sehr schöne Momentaufnahmen aus den jeweiligen Filmen. Ihr werdet also erneut sehr gut Informiert und bekommt gleichzeitig einen sehr schönen Bildband. Eine Sache die mich ein wenig stört sind kleinere Ungenauheiten bei der Einordnung der Filme. Zum Beispiel werden  “Spider-Man” und “Persepolis” als Comicverfilmung betitelt, während zum Beispiel “Waltz with Bashir” nur ein Kriegsdrama ist und “A History of Violence” nur innerhalb des Textes als Umsetzung der Graphic Novel deklariert wird. Gerade bei diesen beiden Filmen würde es der Wahrnehmung von Comics sehr helfen wenn man dort richtigerweise von Comicverfilmungen sprechen würde. Wenn man das nämlich nicht tut, hilft es nur dabei einen angestaubten Eindruck von dem beizubehalten was der Mainstream von Comics erwartet. Nämlich eben einen Mann im Spinnenkostüm und kein Drama von David Cronenberg.

Die Auflistung in diesem Band enthält sicherlich die “wichtigsten” Filme des Jahrzehnts, wobei diesmal der eigene Geschmack der Kritiker mehr durchkommt, ansonsten könnte ich mir nicht erklären wie Filme wie “Bridget Jones” oder “Borat” es in so einen Band schaffen könnten. Ansonsten frag ich mich welche Daseinsberechtigung das “Ring” Remake hat, aber nun gut. Da hat jeder seinen Geschmack und bei den meisten Filmen kann ich nachvollziehen warum der Herausgeber sie ins Buch gelassen hat. Es sind diesmal aber auch ziemlich viele künstlerische Filme und eine Menge Oscar Bait enthalten. Dabei habe ich diesmal sehr viel mehr neue Filme entdeckt die ich noch sehen möchte als zum Beispiel im Band der 90er, dafür haben mich gleichermaßen aber auch sehr viel mehr der Filme nicht interessiert. Liegt aber wohl mehr an meiner Abneigung dem filmischen Jahrzehnt gegenüber als an der Auswahl der Filme. Die Bilder sind toll gewählt und die Texte sind kompetent, verständlich und nachvollziehbar geschrieben. Wobei sie wieder wünschen würde, sie wären stellenweise etwas kritischer. Letztlich findet auch mein Lieblingsfilm des Jahrzehnts, nämlich “Oldboy” Platz in in diesem Buch und ist mit wundervoll stimmigen Bildern versehen. Da werde ich glatt wieder versöhnlich. Wer also mit diesem Jahrzehnt etwas mehr anfangen kann als ich wird seine Freude an dem Band haben, aber auch so habe ich noch einige interessante Filme entdeckt. Wie zum Beispiel “Y tu mamá también, auf den ich sonst wohl nicht einfach so gestoßen wäre.

Neben den 140 Filmen, findet ihr auf den 865 Seiten noch ein Essay über dieses filmisches Jahrzehnt, in dem unter anderem auch die meisten meiner Kritikpunkte aufgegriffen wurden. Abgeschlossen wird das Ganze durch eine Auflistung aller Oscars der betroffenen Jahre und einem Filmindex. Wer also irgendwie am filmischen Schaffen dieser Zeit interessiert ist oder auch nur einen hübschen Bildband will, sollte mal reinschauen.

7 von 10 Filme über den Mauerfall