Donnerstag, 17. Oktober 2013

Kommissarin Lund - Die komplette Serie: Das Verbrechen I (2007) [Edel:Motion]


Kommissarin Lund - Die komplette Serie: Das Verbrechen I (2007) [Edel:Motion]

Ihre Zeit bei der Kopenhagener Mordkommission ist im Prinzip schon beendet, als Kommissarin Sarah Lund (Sofie Gråbøl) vom Verschwinden von Nanna Birk Larsen (Julie Ølgaard) erfährt. Zusammen mit Jan Meyer (Søren Malling), der eigentlich ihre Nachfolge antreten soll, begibt sie sich auf die Suche nach der jungen Frau, während sie ihren wartenden Verlobten Bengt (Johan Gry) in Schweden immer wieder auf später vertröstet.
Die Vermutung Nanna sei einem Verbrechen zum Opfer gefallen bestätigt sich, als sie in einem versenkten Auto gefesselt, misshandelt und vor allem tot aufgefunden wird.
Ihre Eltern Theis (Bjarne Henriksen) und Pernille (Ann Eleonora Jørgensen) können es nicht fassen und zerbrechen fast an der Tatsache, dass ihnen ihre Tochter genommen wurde. Erschüttert ist auch die Kopenhagener Lokalpolitik, denn das Auto, in dem Nanna gefunden wurde, ist ein Parteiwagen von Troels Hartmann (Lars Mikkelsen), einem Kandidaten auf den Posten des Oberbürgermeisters...

Mit 1100 Minuten Spielzeit kommt dieser Koloss von Krimi daher - ein Fall und sehr viele Verdächtige. Zusammen mit der zweiten und dritten Staffel, einer Hörbuchprobe, einem Auszug aus dem Buch zu Kommissarin Lunds erstem Fall und allerhand Bonusmaterial veröffentlicht Edel:Motion nun diese Komplettbox.
Aufgrund des Umfangs werde ich jetzt jede Staffel einzeln besprechen und sie der Tage veröffentlichen.

Aufmerksame Leser unseres Blogs mögen eventuell gemerkt haben, dass ich hier generell eher weniger im Bereich Thriller und Krimi unterwegs bin. Auch wenn ich große Affinität zu Skandinavien verspüre, habe ich die mittlerweile schon eine ganze Weile anhaltende Begeisterung für skandinavische Genrebeiträge bis dato nicht teilen können bzw. habe mich schlichtweg nicht damit beschäftigt.
Die Komplettbox der Serie "Kommissarin Lund - Das Verbrechen" bietet mir die Möglichkeit diese Bildungslücke zu schließen. Die Brücke war ja ein sehr erfreulicher Auftakt bei diesem Vorhaben.

Die erste Staffel dreht sich also um den Mord an Nanna Birk Larsen, in den anscheinend eine Menge Leute involviert sind. Die Protagonistin Sarah Lund ist eigentlich nur zufällig an den Ermittlungen beteiligt, steigert sich aber derart in die Sache, dass sie erstens ihren Kollegen und Nachfolger Jan Meyer nicht vernünftig einbezieht bzw. nicht richtig mit ihm kommuniziert und zweitens ihre Beziehungen zu den Angehörigen ihrer Familie vor die Wand fährt. Allen voran zu ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn. Offiziell soll Lund wohl ungewöhnlich starke "männliche" Züge für einen weiblichen Charakter haben, doch eigentlich reicht es zu sagen, dass sie äußerst verschlossen ist. Ihre Emotionen und Gedanken sind weder den anderen Charakteren noch dem Zuschauer ohne weiteres ersichtlich, ihre Aktionen ergeben im ersten Moment teils keinen Sinn oder wirken impulsiv und ungerichtet. Die Zuschauer müssen an Lund die gleiche analytische Beobachtung üben, wie Lund an ihrem Fall. Sofie Gråbøl macht dabei eine wirklich gute Figur und kann in den richtigen Momenten kleinere Nuancen in die sonst emotionslos wirkende Lund einfließen lassen. Die Hilflosigkeit und Überforderung mit ihrem Privatleben sticht da besonders hervor.

Jan Meyer ist ihr als Gegenpart konzipiert worden. Auch hier wird in den Interviews davon gesprochen, dass er als männlicher Charakter sehr "weiblich" herüberkommt. Das ist im Fall von Meyer jedoch irgendwie Blödsinn. Was ist an einem Familienvater weiblich, dem die Familie irgendwie wichtiger ist als seine Arbeit, der recht schludrig mit seiner Gesundheit umgeht und gerne weiß, was Sache ist? Das erschließt sich mir nur wenig. Es ist aber auch nur eine Anmerkung im Making Of, von daher belassen wir es dabei.
Meyer kommt bei der Charaktereinführung noch sehr plump als klares Gegenteil zu Lund herüber. Seine Emotionen sind sofort zu erkennen und sein Befragungsstil lässt etwas zu wünschen übrig, da er recht aggressiv vorgeht. Zuerst eher unsympathisch, wächst er einem jedoch nach einer Weile ans Herz.

Die Dynamik zwischen den beiden Charakteren stimmt soweit. Genug Konfliktpotenzial wird gegeben, so dass hier nie das Gefühl aufkommt, man sehe irgendeinen blöden Buddy-Movie.
So passiert es denn auch, dass die Ermittlungen in die falsche Richtung gehen und falsche Informationen an die Politik weitergegeben werden. Über die Tatsache, dass Nanna in einem Parteiwagen von Troels Hartmann gefunden wurde, bekommt die Geschichte etwas politische Brisanz. Die Verbindungen sind unbestreitbar und so kommt Hartmann selbst irgendwann ins Visier der Ermittler. Hartmann hat während des Wahlkampfs so schon genug am Hut. Zumal er das Gefühl nicht los wird, dass irgendjemand aus seinem Team gegen ihn spielt.
Aber es sind noch andere Dinge, die ihn bewegen. Er nagt noch immer am frühen Tod seiner Frau, führt aber mittlerweile eine geheim Beziehung zu seiner Sekretärin Rie Skovgaard (Marie Askehave). Hartmann kann es gerade nicht gebrauchen, dass irgendetwas ans Tageslicht kommt, was seiner Wahl zum Oberbürgermeister im Weg stehen könnte.
Lars Mikkelsen stellt Hartmann überzeugend dar und schafft es, dieses zwiespältige Verhältnis des recht tragischen Menschen und des eiskalten Politikers für den Zuschauer sichtbar zu machen.

So spannend die Intrigen und Entwicklungen aus dem Umfeld des Rathauses auch sein mögen, so irrelevant erscheinen sie, nachdem man am Ende den Mörder und sein Motiv kennt. Sie wirken wie eine plumpe Kritik an Politikern, die sich von Macht korrumpieren lassen und im Zuge dessen ihre Ideale und menschlichen Werte in den Wind schießen. Generell ist das nicht als schlecht anzusehen, doch hier wäre sicherlich mehr drin gewesen.

Neben den beiden Ermittlern, ihren "kleinen" Irrwegen und der Politik steht noch Nannas Familie, bestehend aus Theis, Pernille und den beiden kleinen Brüdern, auf dem Plan. Man bekommt von der Vermisstenanzeige bis zur Lösung des Falls alle Hochs und Tiefs der Familie mit, die so je aus ihrem bisherigen Trott gerissen wird. Dabei ist beachtlich, wie Henriksen und Jørgensen diese ganzen Stadien von Trauer, Wut, Verzweiflung, Schuldzuweisungen und einem Wunsch nach Rache durcharbeiten. Zwischen den grausamen Momenten, die durch neue Informationen über den Tod ihrer Tochter, aber auch durch die falschen Hoffnungen, den Schuldigen gefunden zu haben, die die Polizei ihnen immer wieder gibt, entstehen, schaffen die beiden Schauspieler, ein sich trotz allen Problemen aufrichtig liebendes Ehepaar darzustellen.
Auf jeden Fall sind hier die emotional ergreifendsten Momente der Staffel zu finden, auch wenn die Szenen durch Musik und Kameraführung teils knapp an der Überinszenierung vorbeischrammen.

Und wenn ich jetzt schon beim Handwerklichem angekommen bin, dann auch dazu ein paar Worte. Im Groben kann man hier gute Arbeit diagnostizieren. Regie und Kameraleute haben schon eine gewisse Ahnung, was sie tun und arrangieren die Bilder gerne mal ein bisschen filigraner. Da wird dann z.B. mal das verspiegelte Fenster im Verhörraum miteinbezogen. Leider verkacken es dann die Cutter im Nachhinein, wenn sie Szenen verwenden, in denen die Charaktere dann komplett anders im Raum verteilt stehen. Aber auch das Timing wird immer mal wieder verkorkst. Das führt dann in seltenen Fällen dazu, dass Charaktere Bewegungen anfangen, aber niemals zu Ende führen.
Unglücklicherweise wird so das optisch gut gedachte Finale etwas beeinträchtigt. Es wird den Bildern einfach zu wenig Zeit gegeben. Das schmälert die Intensität und die Bedeutung der Szenen zwar nicht allzu stark, ist aber dennoch ärgerlich.

Resümierend kann man jedoch festhalten, dass die erste Staffel der Serie wirklich gelungen ist und einige Szenen beinhaltet, die einem zum einen sehr nah gehen, zum anderen aber auch im Gedächtnis bleiben werden. Die Geschichte hätte vielleicht etwas straffer erzählt werden können, aber es gibt letztlich nur wenige Momente oder Umwege, die man sich hätte sparen können. Langweilig wird es auf jeden Fall nie, was mich bei dem Umfang dann doch eher überraschte.

Ein großes Manko sind die 10 DVDs. Das Bild weißt ein beständiges starkes Rauschen auf, das man auch mit allerhand Rumpfriemeln an den Ausgabegeräten nicht wegbekommt. Der deutschen Tonspur fehlt leider oft jegliche Dynamik, so dass man teils große Schwierigkeiten hat, die Sprechenden voneinander zu unterscheiden oder sie einer Person auf dem Bildschirm zuzuordnen. Die dänische Tonspur ist aber noch schlechter, denn sie ist nicht mal vorhanden, was mir persönlich massiv gegen den Strich geht!
Zudem fehlen jegliche Untertitel, was für eine Produktion des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mehr als traurig ist. Diese Versäumnisse sind zwar letztlich die von Edel:Motion, dennoch sind sie ärgerlich.

In Kommissarin Lund - Das Verbrechen I kann man getrost ein wenig Zeit investieren, es lohnt sich auf jeden Fall. Man bekommt einen spannenden Kriminalfall präsentiert und wird als Zuschauer gerne mal auf die falsche Fährte gelockt. Dass nach dem Finale ein ganz klitzekleines bisschen Enttäuschung vorhanden ist, kann aber die unterhaltsame Erfahrung, die man auf dem Weg dorthin hatte, nicht allzu sehr trüben. Die technische Seite der Veröffentlichung gereicht da schon eher zur Enttäuschung.

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