Sonntag, 13. April 2014

Fuck for Forest (2012) [good!movies]

Fuck for Forest (2012) [good!movies]

Die Menschen verlieren immer mehr den Bezug zur Natur. Gierige Kapitalisten zerstören die Natur und aufgrund gesellschaftlicher Konventionen werden wir in unseren Körpern eingesperrt, so dass wir weder frei noch im Einklang mit der Natur leben können. Dies sind Grundannahmen der NGO "Fuck for Forest". In seinem Dokumentarfilm begleitet Michał Marczak die Gruppe in ihrem Alltag, aber auch beim Versuch, ein 800 ha großes Stück Urwald in Brasilien zu bewahren. Denn der Name ist Programm - sie bieten im Internet erotische Fotografie und Amateurpornographie gegen Bezahlung an, um Geld zu erwirtschaften, das in Umweltschutzprojekte investiert werden soll.

Viel zu lange lag dieser Dokumentarfilm, der immerhin schon im November letzten Jahres in Deutschland erschien, nun schon auf meinem Schreibtisch. Bereits zuvor las ich über diese ominöse Gruppierung und ihr Anliegen. Zudem gab es vor einer Weile eine Episode "Schulz in the Box", in der Olli Schulz ein paar Tage mit der Kerngruppe in Berlin verbrachte. Letztlich entstand dadurch ein Bild von recht aggressiven Neo-Hippies, die allen, die nicht konform mit ihren Idealen gehen, Prüderie und Desinteresse an Naturschutz unterstellen. Die Fähigkeit gesellschaftliche Restriktionen, was Sexualität angeht, zu erkennen, in Frage zu stellen und diese eventuell bewusst zu akzeptieren, weil sie der gewählten Lebensweise entsprechen, wird Mitmenschen generell abgesprochen.

Aber jetzt konnte ich mich endlich mal von diesen ersten Eindrücken frei machen, in der Hoffnung eine Doku zu sehen, die die Inhalte der NGO beleuchtet und nicht irgendeine Spiegel.TV-Schockreportage aus dem Thema macht.
So fängt der Film auch erstaunlich feinfühlig an. Eines der Gruppenmitglieder, Danny, besucht seine Familie in Norwegen. Schnell wird klar, dass die Familie Dannys Lebensweise nicht gutheißt - die Mutter hat für die Dauer seines Besuchs sogar ihr Zuhause verlassen. Danny wird als junger Mann dargestellt, der mit kindlichem Gemüt, ständig verträumt nur wenig Bezug zur Realität hat. Bekleidet mit dem, was er im Müll findet, steht er oft verloren da und kann auch nach eigener Aussage nicht gut mit Menschen.

Ähnlich sieht es bei den anderen Gruppenmitgliedern aus. Zumeist wird von einer schweren bzw. komplizierten Kindheit gesprochen. Ihre Erzählungen sind gerne mal durcheinander bzw. sind von einer geistigen Abwesenheit geprägt, die ihre Ursache auch gerne in den eingenommen findet. Dem Gründer der NGO, Tommy, wird zudem die Entführung Kajaals "angehängt". Kajaal ist dann später freiwillig bei der Gruppe geblieben, wurde im Gegenzug jedoch von ihrer Familie verstoßen und enterbt.

Es wird viel Zeit darauf verwendet, Gründe für das Verhalten der Mitglieder zu geben und die Leute nach Möglichkeit recht verpeilt darzustellen. Das führt zu einigen interessanten und auch eigentlich witzigen Szenen, wenn sie zum Spendensammeln aus ihrer Parallelwelt heraus ins "normale" Berlin schreiten.
Überhaupt ist es interessant zu sehen, wie gut die Gruppe ohne Geld in Berlin klarkommt. Auch, wenn sie über ihre Website ordentlich Asche machen, geben sie nämlich kaum Geld davon für sich selbst aus.

Bestehen die ersten zwei Drittel des Films hauptsächlich aus kleineren Episoden aus dem Alltag der Truppe, konzentriert sich der Rest auf den Kauf eines Stücks Urwald. Bis dahin ist die Idee hinter der NGO nur durch zusammenhanglose und teils planlose Statements einzelner Mitglieder zu erahnen. Das Bild einer etwas trotteligen, realitätsfremden Gruppe wird dann im Urwald vollendet. Als sie ihre Beweggründe zum Kauf den Ureinwohnern erklären, verstehen diese ihr Anliegen so gar nicht, haben kein Vertrauen in sie und möchten nicht, dass "Fuck for Forest" in ihr Land investiert. Deprimiert und desillusioniert verstreut sich die Gruppe danach vorerst in alle Winde, um später (nach dem Film) wieder zusammenzufinden.

Das Ganze ist zwar eine schöne Geschichte über das grandiose Scheitern mehrerer Idealisten an der harten Realität, vermittelt aber kaum deren Ideen und wirkt zuweilen arg konstruiert und frech geschnitten. Obgleich einige unangenehme Szenen einfach nicht zu leugnen sind - z.B. wenn Tommy beim Anblick einer Minderjährigen geifert und davon spricht, sie gerne mitnehmen zu wollen - so wird die Dokumentation doch den Grundsätzen und Botschaften von "Fuck for Forest" wohl nicht gerecht. Was such der Grund sein dürfte, warum die Gruppe sich auf ihrer Website von der Doku distanziert und den Regisseur Lügen straft.

Man mag von "Fuck for Forest" halten, was man will. Ein wirklich gut gemachter Einblick in Inhalte der Gruppe und Gedanken der Mitglieder wäre schon interessant gewesen. In wenigen Momenten kann der Film auch entsprechend liefern, doch die meiste Zeit geht es eher darum, eine Geschichte zu erzählen. Das mag auch auf den 86 Minuten unterhalten, bietet aus dokumentarischer Sicht jedoch recht wenig.

5 von 10 Blut-und-Sperma-Cocktails