Dienstag, 15. Juli 2014

All-American Ads of the 40s (TASCHEN)

All-American Ads of the 40s (TASCHEN)

Ende des Jahres 1941 begann auch für die USA der Eintritt ins Kriegsgeschehen. Einen Tag nach dem Angriff auf Pearl Harbor erklärte man dem Kaiserreich Japan den Krieg. Nicht ganz einen Monat später, am ersten Januar 1942 traten die Vereinigten Staaten Amerikas dann auch der Anti-Hitler-Koalition bei. Ein wegweisender Moment für die gesamte Menschheit, aber natürlich auch für die amerikanische Werbeindustrie, genau darum soll es jetzt nämlich gehen. Noch Anfang der Vierziger Jahre war die amerikanische Autofabrikation im kommen, allerdings nur kurz. Mit dem Kriegseintritt folgte für die Autoindustrie eine große Umorientierung. Buick, Cadillac, Ford und andere Hersteller bauten plötzlich keine schönen Schlitten für den Sonntagsausflug mehr, sondern zimmerten Panzer, Lastfahrzeuge und alles andere zusammen, was man an der europäischen Front so brauchen konnte. Auch Boing war nicht mehr mit der Beförderung von Zivilisten beschäftigt, sondern ließen Bomber vom Fließband rollen.

Die erste hälfte der Vierziger war die amerikanische Werbung also von Propaganda für den Krieg und gegen Deutschland und Japan dominiert - Italien bekam eher am Rande etwas ab, jedenfalls in den hier versammelten Werbemitteln. Jim Heinmann sammelte für TASCHEN auf über 700 Seiten um die 1.000 Werbeanzeigen, Poster, Flyer und ähnliches und sammelte dies alles in einem mächtigen Bildband, betitelten als “All-American Ads of the 40”, auf den in den folgenden Monaten noch ein Band über die 50er und 60er folgen soll.

Im ersten dier Hardcover Bände ist natürlich vor allem der zweite Weltkrieg ein interessanter und aufschlussreicher Faktor für die Werbung der damaligen Zeit. Unterteilt wurde das Buch in die Kapitel Alkohol & Tabak, Autos, Konsumgüter, Unterhaltung, Mode & Schönheit, Essen & Getränke, Industrie, Inneneinrichtung, Reisen und Zweiter Weltkrieg. Aber auch trotz des Kapitels, das sich ausschließlich mit Postern zur Motivation des amerikanischen Volkes beschäftigt, mit Propaganda Flyern und Durchhalteparolen, ist der Krieg auch bis nach seinem Ende noch in der Werbung präsent und merklich. Schnell wird klar, dass jedes Produkt politisch aufgeladen werden kann. Da wird dann sogar Grapefruit Saft zu einer Geheimwaffe gegen die Japaner. Wer nicht will, dass seine Tochter voll Nazis als Gebärmaschine entführt wird sollte Kriegsanleihen kaufen und selbst Gürtel sind ein antifaschistisches Statement.

Alles wichtige Relikte unserer Zeit und schön, dass all das in dieser wahnsinnig guten Qualität in gesammelter Form erscheint. Dabei ist es wirklich verblüffend wie gut viele der Anzeigen restauriert werden konnten. Nur selten sind die Farben ausgeblichen, Teile fehlen so gut wie nie und auch kleinere Macken können an einer Hand abgezählt werden. Auch abseits des Krieges können Gesellschaftliche Entwicklungen und popkulturelle Meilensteine entdeckt werden. So wird nun das Auto endgültig zum Inbegriff der Freiheit des kleinen Mannes. Elektrische Kühlschränke werden langsam erschwinglich, genauso wie Radios, Schallplatten und natürlich vor allem das Fernsehgerät. Neu waren aber auch Ananas und Pfirsiche, wann immer man wollte und dank Dole frisch von Hawaii auf den Tischen Nordamerikas. Gleichzeitig konnte man zum ersten mal Fertiggerichte genießen und der Doktor qualmte genauso viel wie seine Patienten, was für die Tabakindustrie der Beweis war: Rauchen ist gesund!

In der Unterhaltungsbranche gab es auch einiges zu vermelden. Glenn Miller wurde mit seiner ersten Goldenen Schallplatte ausgezeichnet und Orson Welles “Citizen Kane” wurde einer der meist gefeiertsten Kinofilmen aller Zeiten. Disney brachte mit “Song of the South” einen, auch damals nicht gerade politisch korrekten Film auf die Leinwand - den man heute gerne verschweigt - und “Der Dieb von Bagdad” bot modernste Tricktechnik im Kino.

Abgesehen vom ungewöhnlichen Einblick in die damalige Gesellschaft und wie man versuchte sie zum Konsum zu veranlassen, sind die Reklamen auch künstlerisch spannend und oft auch hübsch anzuschauen. So gut wie alle Anzeigen sind teils sehr aufwendig designt und wunderschön gezeichnet. Selbst unter der Panzerwerbung sind einige handwerklich großartige Zeichnungen. Neben Realismus und Pop Art ist vor allem der Einfluss von und auf Comics allgegenwärtig. Gerade im Bereich der Industriewerbung - ganz vorne mit dabei: Bohn - ist der Geist damaliger Pulp Science-Fiction Heftchen förmlich greifbar.

All-American Ads of the 40s ist mit seinen beinahe 3kg mal wieder ein ganz schöner Brecher. Euer Regal wird’s euch vermutlich übel nehmen, aber jeder der sich für grafische Gestaltung und den historischen Kontext interessiert wird vollends auf seine Kosten kommen. Das Buch kommt mit einem Vorwort und einem Text zur besten Werbung jeder Kategorie in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch.

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