Sonntag, 28. Dezember 2014

Destricted (2006)

Destricted (2006)

Bei “Destricted” handelt es sich um eine Kurzfilmanthologie aus dem Jahre 2006/2010. Die beteiligten Regisseurinnen versuchen in ihren sieben pornographischen Filmchen die lange gewohnten Grenzen zwischen Pornographie und Kunst etwas zu verschieben. Der Film erschien in zwei verschiedenen Versionen. Einmal ist da die britische 2006er Variante und später im Jahre 2010 erschien eine weitere US-Version in der vier neue Filme zu sehen sind. Trotz der vielen und teils explizit gezeigten Hardcore Sexszenen bekam der Film vom BBFC (British Board of Film Classification) eine normale 18er Freigabe und ist somit der Film mit den meisten Sexszenen, der in England trotzdem nicht als Porno eingestuft wurde. Hier nun ein Review zu den Filmen der originalen britischen Version:

Balkan Erotic Epic (13:04)

Ein durchgedrehtes Filmchen der serbischen Performance-Künstlerin Marina Abramović, die wohl am ehesten durch ihre Installation “The Artist Is Present” bekannt sein dürfte. Dabei saß sie zwei Monate lang im Museum of Modern Art an einem Tisch. Das Projekt bekam dann ziemlich große Aufmerksamkeit als auch Lady Gaga sie dort besuchte. In ihrem 13-minütigen Beitrag zu Desticted moderiert sie kleinere Einspieler ein. Darin zeigt sie alte Sagen aus den slawischen Ländern. Die einzige Verbindung zwischen diesen Sagen ist, dass sie alle etwas mit Genitalien zu tun haben. Manchmal wurden diese Begebenheiten real mit vielen Komparsen nachgestellt, die dann zum Beispiel Sex mit dem Fußboden haben müssen um die Ernte zu sichern oder in kleinen Bleistiftanimationen sehen wir ungewöhnliche Begebenheiten wie Männer die Löcher in Brücken bohren um dann mit ihnen zu verkehren. Drollig, total überdreht, aber doch ganz amüsant und zudem sogar noch informativ. Schön gefilmt zudem auch noch, nur stellenweise vielleicht etwas zu lang geraten.

Hoist (14:37)

In “Hoist” verbindet der brasilianische Künstler Matthew Barney Sexualität und Industrialisierung miteinander. Ein Mann, aufwändig zu einer Blume umgewandelt legt sich in einen schwebenden Bagger und masturbiert mit der Antriebswelle von eben diesem. Lang, etwas anstrengend, aber durchaus mit künstlerischer Raffinesse. Faszinierend, aber letztlich auch zu lang und am Ende eher nervig. Ist Kunst, ist auch gut so, hat man aber einmal gesehen und hat dann was zu erzählen. Noch mal muss ich das aber nicht haben. Übrigens ist der Film nur ein Segment aus einem größeren Kunstwerk von Barney mit dem Titel “De Lama Lamina”.

Sync (2:15)

Aus unzähligen Frames vieler Hardcore und Softcore Filmchen hat Marco Brambilla einen Short gemacht, der gut in sein sonstiges Schaffen passt. Der Künstler arbeitet auch sonst sehr viel mit Videoinstallationen und liebt es kleine Szenen mit einer fantastischen Geschwindigkeit und unzähligen Schnipseln zu überladen. Hier hat er neben Szenen aus Pornos unter anderem auch Momentaufnahmen aus Titeln wie “Im Reich der Sinne”, “9 ½ Wochen” und “Der letzte Tango in Paris” genommen und sie neu zusammengefügt, dass es trotz der vielen verschiedenen Quellen aussieht wie eine zusammengehörende Sexszene. Cooles Ding und sicherlich auch der Höhepunkt dieser Sammlung.

Impaled (37:28)

Larry Clark ist den meisten wohl durch seine beiden skandalträchtigen Filme “Kids” und “Ken Park” ein Begriff. Generell lässt sich sagen, dass der Herr durchaus ein etwas zweifelswürdiger Typ ist, der vermutlich etwas zu sehr Freude daran hat so zu tun als hätten Minderjährige in seinen Filmen Sex. “Impaled” ist ein viel zu langer und für seine Verhältnisse sehr harmloses Reality-TV Sexfilmchen. Er dreht dabei die Interview Verhältnisse in Pornos um und zeigt schüchterne Jungs, die von den Damen des Pornogeschäfts überfordert und überrumpelt werden. Um aber wirklich Kritik an dieser Machart von Porno zu betreiben hätte er noch einige Schritte weitergehen müssen. Am Ende geht man mit den Herren nämlich nicht annähernd so unmenschlich um wie mit den Damen die sonst in ihrer Rolle stecken. Vielleicht geht es auch gar nicht darum irgendwelche Rollenklischees in der Szene umzudrehen, aber die Vorstellung dass, das so sein könnte ist eigentlich noch schlimmer, denn selbst wenn ich eine politische Aussage in den Kurzfilm hineininterpretiere ist er sehr zahnlos und langweilig.

We Fuck Alone (23:31)

Weiter geht es nach Frankreich, von wo aus Gaspar Noé bekannt für seine Schonungslosen Dramen wie “Menschenfeind” und “Irreversible” uns mit 23 Minuten Geflicker bewirft. Die gesamte Zeit über flackert das Bild nämlich. Nichts also für schwache Nerven und erst recht nicht für Menschen mit Epilepsie. Gezeigt werden ein Mann und eine Frau die den selben Porno schauen und sich dabei befriedigen. Allerdings sind sie dabei nicht im selben Raum und ganz alleine. Obwohl die Frau einen Teddybären und der Mann seine Gummipuppe an seiner Seite hat. Wahnsinnig anstrengend zu schauen, insgesamt aber ein handwerklich sehr gut gemachter Film, mit einem mehrschichtigen Subtext.

House Call (12:29)

Richard Prince ist bekannt für eine Kunstform die sich Rephotography nennt. Dabei geht es ähnlich wie beim Musiksamplen darum, bestehende visuelle Medien wie Fotos und Videos zu nehmen und durch einen neuen Fokus, andere Beleuchtung, einen anderen Schnitt oder musikalische Untermalung etwas eigenes daraus zu machen. Hier hat es einen Vintage Porn Film erwischt, aus dem er eine Szene farblich verändert hat, neue Musik drunter gelegt hat und zudem noch ein paar Schnitte ansetzte. Ich als Kunstbanause würde jetzt behaupten das kann ich auch, bei mir würde man aber davon sprechen ich würde die Arbeit einer anderen Person stehlen. Sieht trotzdem cool aus.

Death Valley (8:25)

Ein Mann latscht durch Death Valley. Er zieht sich aus, beginnt zu wichsen. Guckt komisch. Schmoddert den Boden voll. Fin! Kunst aller, das raffste eh nicht.


“Destricted” ist eine Anthologie mit mehreren coolen Ideen. Die Umsetzung ist meistens interessant aber nicht überwältigend und das gesamte Projekt wirkt insgesamt sehr träge und viel zu lange. Jedenfalls würde ich mir das Ding nicht noch mal anschauen wollen. Fürs Museum vielleicht nicht schlecht, im heimischen DVD Player aber nur bedingt zu gebrauchen.