Freitag, 25. Dezember 2015

Es ist schwer, ein Gott zu sein (2013) [Bildstörung]

Es ist schwer, ein Gott zu sein (2013) [Bildstörung]

Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Instituts für Experimentalgeschichte wird von der Erde aus auf den Planeten Arkanar gesendet. Der erdähnliche aber kleinere Planet wird von einer menschlichen Rasse bewohnt die kulturell auf einem Stand ist, der mit unserem Mittelalter zu vergleichen ist. Bei ihren Beobachtungen haben die Wissenschaftler Anzeichen dafür entdeckt, das auf dieser Welt eine Kulturrevolution nahesteht, die zur Renaissance führen wird. Um diesen wichtigen Teil der menschlichen Geschichte zu untersuchen, werden sie als Edelmänner Teil der mittelalterlichen Gesellschaft. Erschrocken müssen sie nun jedoch beobachten, wie sich die Zivilisation rückwärts wendet. Anstatt nämlich eine höhere Stufe zu erreichen, geht die Kultur einen Schritt zurück. Wer mächtig ist, darf die Schwächeren unterdrücken und alle Gelehrten sowie alle, die lesen können werden ermordet. Als Wissenschaftler nimmt Don Rumata (Leonid Yarmolnik) eine gottesähnliche Rolle in der arkanarischen Gesellschaft ein, seine Aufgabe verbietet es ihm jedoch, gewaltvoll in das Geschehen einzugreifen und so tut er sein bestes um anderen Gelehrten das Leben zu retten, auch wenn seine Taten ausweglos erscheinen. Trotzdem will er als einziger der Wissenschaftler ein Teil dieser Welt bleiben. Bis zum Ende.

Stiefel im Matsch. Es regnet und wird matschiger. Ein unwirklicher Albtraum direkt wie aus einem Gemälde von Hieronymus Bosch. Teil dieser schlammigen, unwirtlichen Welt ist Rumata, gespielt von Leonid Yarmolnik, der zwar schon seit den Siebzigern Schauspieler ist, aber in Russland eher durch sein Mitwirken als Moderator von Game Shows bekannt wurde. Yarmolnik wirkt für Menschen, die ihn also kennen, wohl nicht wie die beste Wahl für die Rolle des Dons. Er beweist aber schnell, wie gut er Teil dieser mittelalterlichen Welt sein kann. Rumata lebt als Mensch unserer Welt im Dreck eines fremden Planeten. Ein Planet, dessen Menschheit es verpasst hat eine höhere Kulturepoche zu erreichen. Die Gelehrten werden verfolgt und die Universität wurde niedergebrannt. Wo in der literarischen Science-Fiction Vorlage von den Brüdern Boris und Arkadi Strugatzki noch Hoffnung durchschimmerte und die Wissenschaftler noch eine bessere Zukunft erhoffen mochten, zeichnet Aleksei German düsterere Aussichten.

German entfernt sich nur an sehr gewollten Stellen von der Vorlage zu seinem Lebenswerkes. Auch wenn die Herangehensweise eine ganz andere ist und von der ausgänglichen Science-Fiction im üblichen Sinne nur noch wenig übrig bleibt, bleibt zugleich doch die Vorlage intakt. Nur die Hoffnung wird aus dem Stoff gezogen und zwar gänzlicht. German, der seit Ende der Sechziger bis zu seinem Tod im Jahre 2013 im Alter von 73 Jahren an diesem Epos arbeitete, attackiert Schaugewohnheiten und sein Publikum gleichermaßen. Zu keiner Zeit hat dieser Film Lust zu gefallen, im Gegensatz zu dem was viele behaupten ist durchgängig eine Handlung enthalten, die sogar teilweise überraschend stringent erzählt wird. Allerdings wird fast kein Element der Handlung unverschlüsselt präsentiert. Bei einer Spielzeit von 177 Minuten erwartet German ohne Pause größte Aufmerksamkeit, erwartet eh viel von den Schauenden. Immer wieder wird alles Wichtige an den Rand des Filmes gedrängt und alles Banale in den Fokus gezerrt. In der Mitte des Bildes sind Dreck, streitende Menschen, tote Tiere. Es wird gerotzt, sich mit Fäkalien eingerieben und getötet. Ohne Grund. Und wenn es einen Grund für die körperlichen Auseinandersetzungen geben sollte, dann erfahren wir sie nicht.

Trotzdem ist der Film nicht frei von Humor. Der Humor ist meist jedoch nicht zu lachen, gelacht werden darf aber dennoch. Vielleicht hilft es ja dabei diese visuellen Attacken länger zu ertragen, denn nicht nur die Figuren auf dem Bildschirm kämpfen ums überleben. Die Zuschauer*innen werden konstant genauso drangsaliert, sehen sich letztendlich ja sogar noch hilfloser dem Siegeszug des Faschismus ausgesetzt als die Protagonis*innen. Natürlich ist “Es ist schwer, ein Gott zu sein” kein Film, den man einfach so konsumieren kann. Ein gewöhnliches Herangehen an die Materie ist sowieso nicht möglich und es will auch gar kein normaler Film sein. Die Kamera ist ständig nahe am Geschehen, wackelt und verletzt immerzu die Komfortzone der Zusehenden.

Empfehle ich diesen Film? Sicherlich und für die, die Extreme wollen und den Mut haben, sich durch einen Film zu kämpfen, sogar völlig ohne Einschränkungen. Es handelt sich dabei um eine Lebenserfahrung die den ansehenden der Kunst verändert, ein philosophischer Film, ein poetischer Film, ein politischer Film und ebenso ein hässlicher Film, der in seiner rohen Gewalt und in seiner archaischen Stumpfheit trotzdem zerbrechlich erscheint. Eigentlich habe ich nicht mal einen kleinen Teil von dem Aussprechen können, was dieses Kunstwerk so gut macht, zum Beispiel ist da noch die Klangwelt und die teils absurde Art wie hier Musik eingesetzt wird. Erlebt es aber am besten einfach selbst.

Das Bild der Blu-ray von Bildstörung verfügt über ein astreines Bild und einen sehr guten russischen Ton. Eine deutsche Synchro gibt es nicht, aber die Untertitel sind gut übersetzt worden. Auf der Blu-ray ist neben dem Film auch noch ein deutscher Audiokommentar von Barbara Wurm und Olaf Müller, der bei einer Laufzeit von drei Stunden viele Hintergrundinformationen bereithält. Dazu gibt es noch eine Bonus DVD mit mehreren Stunden Extras. Da wäre ein Interview mit Aleksei German Jr. (2015), dem Sohn des Regisseurs und eines mit der Drehbuchautoren Svetlana Karmalita (2014), der Witwe von Aleksei, die gemeinsam mit Aleksei Jr. den Film nach Germans Tod fertig gestellt hat. Dazu kommt noch ein Langinterview aus dem Jahre 1988, das Ron Holloway damals schon zu diesem Film führte. Außerdem gibt es dann noch Aleksandr Pozdnjakovs dokumentarisches Werk “Jenseits der Kamera” (2009) über Germans Schaffen, genauso wie der Dokumentarfilm “Germans Blutdruck ist heute 122/85” (2012) von Peter Shepotinnik. Zuletzt wäre da noch das Featurette “Die Geschichte des Arkanar-Massakers” (2015) von Daniel Bird. Außerdem gibt es noch Trailer und eine Bildergalerie. Wie immer bei Bildstörung, kommt auch dieser Film in einem hübschen Schuber inklusive eines Schutzblattes das über dem Cover ohne FSK Siegel liegt. Dem ganzen liegt noch ein Booklet bei, das einige Informationen und Auszüge eines Interviews mit German enthält. All das stammt ursprünglich aus Anton Dolins Buch “Aleksei German: Interviews, Essay, Screenplay” aus dem Jahre 2011.

10 von 10 zu uns blickende Esel